Donnerstag, 17. Januar 2013

Zu Gast im Kinderhospiz Balthasar ...

Nach der Happy Soulmate Weihnachts - Spendenaktion hatte ich das Bedürfnis, das Kinderhospiz Balthasar persönlich kennenzulernen. Frau Gerhard, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising, war so freundlich mir einen Termin zu geben, bei dem Sie mir einiges zeigen und erklären wollte und so machte ich mich gestern nachmittag, gemeinsam mit meinem Mann, mit gemischten Gefühlen auf den Weg nach Olpe.
In dem folgenden Artikel möchte ich Euch einige Eindrücke davon weitergeben ...


Eigentlich hatte ich mich auf den Termin, der schon seit längerem feststand, gefreut. Bereits vor vielen Jahren - als ich noch in meiner Praxis (mit Krebspatientinnen) arbeitete, wollte ich die Einrichtung näher kennenlernen. Aber irgendwie kam immer wieder etwas dazwischen.

Schon lange interessierte mich der Snoezelenraum, der meines Wissens nach einer der ersten hier in Deutschland war. Mich interessierte auch die Atmosphäre des Hauses, das ich einerseits zwar mit äußerst positiven Aspekten verbinde, die andererseits jedoch auch sehr bedrückende Emotionen in mir hervorrufen - doch so wird es wohl vielen ergehen.

KINDERhospiz - das ist ein Thema, was man lieber soweit wie möglich von sich schiebt. Aber mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es Menschen gibt, die sich diesen Luxus nicht erlauben können wollte ich mir zumindest einen eigenen Eindruck verschaffen und schauen, ob ich - die ich das Glück habe nicht direkt damit konfrontiert zu werden - nicht einen kleinen Beitrag leisten kann, um Menschen, die nicht umhin kommen sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, ein wenig zu unterstützen.

Ich glaube an Solidargemeinschaften und bin davon überzeugt, dass wir im Grunde alle Teil einer großen Solidargemeinschaft sind. Jeder ist die Stütze des Anderen - irgendwann in seinem Leben und jeder bedarf dieser Unterstützung - irgendwann und an irgendeinem Punkt in seinem Leben. Also möchte ich meine Augen offen halten - für den, der meiner Hilfe bedarf, denn ich weiß, ich werde voller Dankbarkeit sein, wenn ich selbst einmal der Hilfe anderer Menschen bedarf.



Das Haus, indem sich das Kinderhospiz befindet liegt auf einer Anhöhe, von der aus man einen schönen Blick auf den Ort Olpe hat. Direkt hinter dem Eingang befindet sich eine kleine Rezeption bei der wir freundlich empfangen wurde. Ich meldete uns an und und wurde gebeten, noch einen Augenblick im "Besuchsraum" Platz zu nehmen - Frau Gerhard käme uns abholen.

Im "Besuchsraum" hingen Kinderbilder an der Wand und der Gedanke, dass diese Kinder möglicherweise heute schon nicht mehr leben bedrückte mich, sodass ich mir (ein wenig) wünschte, ich hätte mich auf die schriftlichen Informationen im Internet beschränkt. - Auf einem Regal stand ein Bilderrahmen, mit einem Brief.  - Er stammte von einem Kind namens Christoph oder Christian und in diesem Brief ging um seine letzten Tage im Kinderhospiz, soviel konnte ich an der Überschrift erkennen. Denn vorsichtshalber -  und um meine eigene Stimmung nicht noch mehr zu bedrücken - entschied ich mich dafür, den Text nicht zu lesen.


Dann ging die Tür auf und herein kam Frau Gerhard - eine junge Frau, strahlte uns an und bedankte sich gleich zu Beginn für unser Interesse und den Besuch. Unglaublich, denn eigentlich waren wir dankbar, dass sie sich die Zeit nahm, um uns einen Einblick in die Einrichtung, ihre Arbeit und die Thematik "Kinderhospiz" zu gewähren. Bereitwillig erklärte sie viele Dinge, die ich hier stichpunktartig zusammenfassen möchte, wobei ich befürchte, nur einen Bruchteil dessen wiedergeben zu können, was Frau Gerhard erzählte ...
  • das Kinderhospiz ist dringend auf Spendengelder angewiesen, da nur 30 % der Kosten durch öffentliche Mittel abgedeckt wird, die restlichen 70 % müssen frei finanziert werden!
  • dem Kinderhospiz angeschlossen ist seit wenigen Jahren ein Jugendhospiz, für Jugendliche und junge Erwachsene von 16 - 25 Jahren, es ist das erste seiner Art
  • die betroffenen Kinder und ihre Familien haben die Möglichkeit von der Diagnosestellung an das Hospiz einmal im Jahr aufzusuchen - in der Regel 27 Tage
  • da die betroffenen Familien in der Regel finanziell sehr belastet sind, brauchen die Eltern für diese Zeit keine Kosten zu entrichten - dadurch soll sichergestellt werden, dass wirklich alle Eltern diese Hilfe in Anspruch nehmen können
  • ausgeweitet wurden die Unterstützungsleistungen außerdem auf die Großeltern - die in der Regel doppelt leiden, da sie sowohl das Leid ihrer Enkelkinder als auch das ihrer eignen Kinder miterleben müssen
  • auch für die Geschwisterkinder sind diese Aufenthalte in der Regel äußerst wichtig, da sie häufig zurückstecken müssen, die Trauer ihrer Eltern mehr oder weniger hilflos miterleben und je nach Alter in der Diskrepanz stecken, die eigene Trauer bewältigen zu müssen, aber auch zu spüren, dass dem kranken Geschwisterkind naturgemäß viel mehr Aufmerksamkeit zuteil wird, als ihnen selbst
Mir selbst wurde bei diesen Schilderungen langsam die gesamte Tragweite und Bedeutung dieser so wichtigen Arbeit deutlich und mir wurde auch klar, dass ich bislang nur einen Bruchteil dessen kannte. - Es geht nicht allein um das sterbende Kind - die Hilfe, die hier angeboten wird ist viel weitreichender. Ein endendes Leben wird begleitet und mit Leben erfüllt - solange es geht - aber auch die anderen Leben, die mit diesem eng verbunden sind, werden mit Leben erfüllt,  - mit Zeit, Trost, Rat und tatkräftiger Unterstützung.

Manche dieser Familien kommen über Jahre immer wieder in das Haus Balthasar, um sich zu erholen und neue Kräfte zu sammeln, für den schweren Weg, den sie zu gehen gezwungen sind. - Auch nach dem Tod des betroffenen Kindes ist dieser Weg der Angehörigen noch lange nicht vorbei. Deshalb, so erklärt Frau Gerhard, ist es auch so wichtig, dass diese Kinder Spuren hinterlassen. Viele Eltern und Geschwister kommen auch nach Jahren noch hin und wieder zu Besuch und erfreuen sich an den Spuren, die ihr Kind, Enkelkind, ihr Bruder oder ihre Schwester dort für immer hinterlassen hat.



Wir beginnen mit unserem Rundgang und Frau Gerhard führt uns zuerst zu dieser Wand, an der all die bunten Hände und Füße an die vielen "Besucher" erinnern, die bereits hier waren. - Mir selbst fällt ein Muttertagsgeschenk meiner eigenen Tochter ein - ihre kleine Hand als Gipsabdruck, eine Erinnerung an ihre Kindergartenzeit. Immer wenn es mir in die Hände fällt, fahre ich diesen Abdruck mit meinen Fingern nach und denke an die Zeit in der diese Hand tatsächlich noch so klein war. - Wie mag es den Eltern gehen, die hier die Abdrücke ihres Kindes wieder sehen, sich erinnern und sie berühren können?



Wir gehen weiter, einen langen Flur entlang, von dem aus viele Räume abzweigen.




Als erstes führt uns Frau Gerhard in den Snoezelenraum. Dieser Raum dient der Entspannung, ermöglicht aber auch Kinder über unterschiedliche Sinne anzusprechen und auf diese Weise deren Wahrnehmung zu schulen.





Lichteffekte, sanfte Musik, ein beheiztes Wasserbett, die ansonsten dezente Raumgestaltung, all das schafft eine unvergleichliche Atmosphäre der Ruhe.
Ein Rückzugsort für Angehörige und ein Raum mit hohem therapeutischen Wert für die kranken Kinder.






Frau Gerhard schildert beispielsweise, wie manche Kinder es lieben, in diesen Lichtervorhang eingehüllt zu werden. Ein ganz besonderes Erlebnis - "mittendrin, statt nur dabei".








Dann gehen wir weiter und als nächstes kommen wir in einen Therapieraum. Auch hier dreht sich alles darum, die Kinder über sämtliche Kanäle anzusprechen, zu erreichen und glückliche Momente zu schaffen.



An dieser Wiege befinden sich beispielsweise Gitarrenseiten. Das Kind wird in die Wiege gelegt, sanft geschaukelt und kann zusätzlich über die Musik erreicht werden oder sich auch selbst über dieses Medium mitteilen.








Ein Kind hat es einmal so beschrieben: " Es fühlt sich an, als ob man im inneren einer Gitarre liegt."
Man kann sich vorstellen, dass es hierbei nicht nur um hörbare Reize, sondern eben auch um ganz wichtige taktile Reize geht.






Hier kann zusätzlich getrommelt oder mit Klangschalen gearbeitet werden. Auch bei gesunden Menschen werden diese oft bei Entspannungssübungen eingesetzt.

Alles dreht sich um Kontakt und Mitteilung über eher unkonventionelle Möglichkeiten und um die Schaffung wohltuender, angenehmer Erfahrungen.



Der nächste Raum den wir besichtigen könnte auch in einer ganz normalen Schule stehen, womit deutlich wird, dass hier u.a. auch versucht wird ein Stück Normalität und Teilhabe aufrecht zu erhalten.


Das "www" wollen natürlich auch kranke Kinder gerne besuchen. Allerdings werden die Zeiten hier begrenzt - eben ganz so, wie es im alltäglichen Leben auch ist (oder zumindest sein sollte).

Wir gehen weiter den Flur entlang, alles ist sehr freundlich, hell und vor allem kindgerecht eingerichtet und alles lädt zum Spielen und Entdecken ein.















Weiter geht`s in den Lese- und Vorleseraum, der mit seiner wohligen und gemütlichen Atmosphäre zum Verweilen einlädt. Schnell wird deutlich, dass hier alles darauf ausgelegt ist, gemütliche Stunden voller Nähe und Geborgenheit zu verbringen.






Hier möchte man es sich doch gleich mit einem schönen Buch gemütlich machen. Alles wirkt fröhlich und unbeschwert und auch mein mulmiges Gefühl ist bei diesen Eindrücken (fast) verschwunden. - Alles wirkt so positiv und ist so gut durchdacht. Es besteht kein Zweifel mehr daran, dass man in diesem Haus schöne Stunden verbringen kann. Das man Lachen kann, leben kann und sich vor allem unbeschwert und fern des Alltags begegnen kann.

Doch dann führt uns Frau Gerhard zum letzten Raum unseres heutigen Rundgangs und mit einem Schlag wird mir wieder bewusst, worauf all dies hier unweigerlich hinausläuft. Das, was eine Zeit lang aus meinem Bewusstsein verschwunden war, ist plötzlich wieder vollkommen präsent!

Wir betreten den "Abschiedsbereich".

Es ist deutlich kühler und in der Luft liegt der Duft nach Weihrauch. In meinem Kopf wirbeln meine Gedanken durcheinander und ich muss meine aufsteigenden Emotionen immer wieder in tiefere Gefilde verbannen. Mir schießt nur ein : - "Oh mein Gott!" - durch den Kopf. Dann verweigere ich mir selbst weiter nachzudenken.

Der Abschiedbereich besteht aus zwei Räumen. Im ersten befinden sich eine Couch, ein Sessel, ein paar Schränke. Es ist ein Raum, in dem sich Familienmitglieder versammeln können, um miteinander zu reden und zu trauen - ganz nah bei ihrem Kind. In dem zweiten Raum, den ich glaube ich instinktiv gar nicht betreten und mir nur aus dem ersten Raum heraus angesehen habe, steht ein Bett mit einer wunderschönen Decke darauf. Die Grundfarbe ist weiß, aber mit vielen roten und bunten Anteilen darauf. Die Decke wirkt irgendwie fröhlich, leicht und unbeschwert, aber sie löst sehr zwiespältige Gefühle in mir aus.

"Hier werden unsere Kinder aufgebart und Eltern, Geschwister und andere Angehörige finden hier die Ruhe und die Zeit, die sie brauchen, um Abschied zu nehmen", erklärt Frau Gerhard freundlich.

Jetzt spüre ich, warum die Decke so zwiespältige Gefühle in mir ausgelöst hat. Sie sieht aus, wie eine fröhliche, farbenfrohe Spieldecke und ich möchte darauf so gerne spielende lachende Kinder sehen, aber ich weiß, ...

Ich WILL nicht weiter darüber nachdenken, aber ich will mich auch nicht umdrehen, nach Hause fahren und so tun als ob mich das alles nichts angeht. Unser Besuch nähert sich langsam seinem Ende zu und ich spüre die Notwendigkeit, in irgend einer Form zu helfen.Und da sind wir wieder bei der Solidargemeinschaft, der wir - als Menschen - alle angehören. Ich WILL etwas tun, WILL helfen, soweit es in meiner Macht steht und WILL das, was hier unausweichlich ist abmildern. Bloß wie - das weiß ich noch nicht ...

Wir sind wieder nach Hause gefahren, haben uns unterhalten und wieder etwas Abstand gewonnen, von den Eindrücken dieses Besuchs. Dennoch konnte ich gestern abend nicht einschlafen. Statt dessen habe ich gegrübelt, wie ich helfen und unterstützen kann. Habt Ihr eine Idee?

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mitmachen würdet und wir vielleicht gemeinsam wieder etwas auf die Beine stellen. Es geht nicht darum als Einzelner das ganz Große stemmen zu wollen, sondern vielmehr darum, dass wenn wir alle nur einen kleinen Beitrag leisten, wir gemeinsam durchaus in der Lage sind viel zu erreichen und Menschen zu unterstützen, die ohnehin schon zu viel (er)tragen müssen!

Eure
Monika Köppel


"Wer einmal zu Lebzeiten erfahren durfte, wie es ist, Mitmenschen einen selbstlosen Dienst zu erweisen, der kennt das Gefühl Sinn gestiftet zu haben."
Rüdiger Bahr (Leiter des Kinder- und Jugenshospiz Balthasaar)



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