Mittwoch, 30. Januar 2013

"Ich Arbeiterkind" oder Chancengleichheit in Deutschland?!

In der aktuellen Ausgabe der ZEIT behandeln gerade zwei Artikel das Thema Chancengleichheit. Die Artikel lauten "Ich Arbeiterkind" und "Wir dürfen nicht stolz sein". Sie dürften all jene überraschen, die noch immer fest an das Soziale im Sozialstaat glauben, denn Chancengleichheit ist auch in Deutschland leider immer noch oder auch - wieder immer mehr - ein Mythos. Ein Grund selbst Chancen zu schaffen?


In dem erwähnten Artikel "Ich Arbeiterkind" berichtet der Journalist Marco Maurer über seinen langen und von Hindernissen gekennzeichneten Weg durch das deutsche Bildungssystem, in dem in erster Linie eines zählt: die Herkunft. "Von 100 Akademikerkindern schaffen 71 den Sprung auf die Universität, von 100 Nichtakademikerkindern nur 24", konstatiert Mauer. Dabei betont er, nicht der Meinung zu sein, dass alle die gleichen Fähigkeiten aufweisen, wohl aber, dass nicht allen (Kindern) die gleichen Chancen geboten werden.

Schulsysteme wären in der Lage - und eigentlich wäre genau das auch ihr Auftrag - soziale Unterschiede zu nivellieren und abzupuffern. Doch wie sieht die Realität aus? Entscheiden bei den Empfehlungen der Grundschulen tatsächlich Leistung und Begabung darüber welche weiterführende Schulform dem jeweiligen Kind nahegelegt wird oder spielen nicht vielmehr soziale Herkunft und familiäre Situation eine übergeordnete Rolle? Und was hat das dann für Auswirkungen?

Marco Maurer verweist unter Bezugnahme auf Jutta Allmendinger (Professorin für Bildungssoziologie) auf die verstärkenden Effekte früher Zuschreibungs- und Selektionspraktiken. Diese haben zur Folge, das Kinder, denen bereits früh vermittelt wird "das kannst Du nicht" oder "das ist nichts für Dich" - in ihrem Selbstbewusstsein so nachhaltig negativ geprägt werden, dass sich die in ihnen angelegten Leistungskapazitäten entweder gar nicht erst entfalten oder aber ebenfalls negativ beeinflusst werden. - Genau an diesem Punkt setzen die Bemühungen von anea moni an - die gemeinnützige Organisation, die sich hier im letzten Blogartikel vorgestellt hat.

Auch der Bildungsforscher Ulrich Trautwein verweist auf die Tatsache, dass die soziale Herkunft eines Kindes oftmals entscheidend ist, für dessen Bildungserfolg. Er geht sogar so weit, dass er sagt, dass die Ungleichheit bereits in der Schwangerschaft beginnt und sich anschließend in der frühen und späteren Kindheit fortsetzt. Auch hier versucht anea moni eine Gegengewicht zu schaffen, indem sie hilft, den Kindern Möglichkeiten der Entwicklung und Förderung zu eröffnen, die ihnen ohne diese Hilfe von außen, niemals zuteil würden.

Trautwein hält fest, dass "ein Kind aus einer Professorenfamilie eine circa dreimal größere Chance auf den Gymnasialbesuch hat, als ein Kind aus einer Arbeiterfamilie - bei gleichen intellektuellen Fähigkeiten!" Außerdem verweist er auf die Gefahr, dass "Kinder aus besseren Elternhäusern in der Schule wie außerhalb stärker gefördert werden als die anderen." Demnach stellt sich auch hier der klare Auftrag, Abhilfe zu schaffen und - solange dies strukturell noch nicht verwirklicht ist - selbst Unterstützungsleistungen anzubieten.

Als gefährlicher Trugschluss erweist sich in diesem Zusammenhang zudem die weit verbreitete Einstellung, das Abitur oder etwa ein Studium möglicherweise zu späteren Zeiten, etwa im Anschluss an Haupt-, Realschule oder Lehre, nachzuholen. Denn gerade hier lassen sich laut Trautwein die größten Ungerechtigkeiten feststellen. "An diesen Schnittstellen setzen sich diejenigen durch, die aus einer Familie mit einer höheren Bildungsnähe stammen." Woraus sich folgern lässt, dass sich die Ungerechtigkeit und Chancenungleichheit mit der Anzahl der Schnittstellen noch potenziert.

Ein Grund also bürgerschaftliches Engagement zu zeigen und gemeinsam Abhilfe zu schaffen - für unsere Kinder. Neben anea-moni setzt sich auch die Organisation arbeiterkind.de für dieses Anliegen ein. Wie immer laden die anschließenden Links und Literaturverweise zur weiterführenden Informationsbeschaffung ein, denn - und an dieser Stelle möchte ich Marco Maurer noch einmal zitieren: "Bildung macht glücklich" und dieses Glück sollte doch nun wirklich für jeden Menschen und jedes Kind gleichermaßen er - lebbar sein.

Monika Köppel

Literaturverweise:
Marco Maurer, in dem Artikel "Ich Arbeiterkind" vom 24. 01.2013, in "Die Zeit"
Ulrich Trautwein, in dem Zeit Interview vom 24.01.2013, in "Die Zeit"

Weiterführende Links:
http://www.zeit.de/index
http://www.arbeiterkind.de/
http://www.marcomaurer.de/
http://www.uni-tuebingen.de/fakultaeten/wirtschafts-und-sozialwissenschaftliche-fakultaet/faecher/erziehungswissenschaft/abteilungen/empirische-bildungsforschung-und-paedagogische-psychologie/personal/trautwein-ulrich-prof-dr.html
http://www.aneamoni.de/home.html

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